Lebenslust pur ist zu spüren. Zweimal hat Halifax großes Unglück überstanden. Leuchttürme weisen noch heute den Weg. Die Rum-Schmuggler sind Geschichte. Mittlerweile finden Sie dort Vogelscheuchen und Tidal Bay, den besten Wein Kanadas. Ein Reisebericht von Karl Kaltenegger

Was Halifax auf den ersten Blick so sympathisch macht, ist die Tatsache, dass Sie als Besucher fast alles fußläufig erreichen können. Aushängeschild ist die Hafengegend mit dem Boardwalk, der sich über mehr als drei Kilometer zieht, mit kleinen Geschäften, Kneipen und Museen. Auch Lagerhäuser gehören von jeher dazu. Die sogenannten „Historic Properties” sind Speicher aus der Zeit der Piraten und Seeräuber, als Rum, Stockfisch und Getreide eingelagert wurde. Die lang gezogenen Backstein- und Holzgebäude zählen zu den ältesten Depots Kanadas.

Das Meer hat hier schon immer eine große Rolle gespielt. Der Hafen von Halifax beherbergt einen der weltweit größten und tiefsten eisfreien Häfen. Wenn Sie sich ganz bequem einen Überblick über die 432.000 Einwohner zählende Stadt schaffen wollen, dann gehen Sie am besten auf die Harbour Hopper Tour. Dabei fahren Sie erst durch die City, vorbei am markanten, achteckigen Uhrturm, der Old Town Clock, hinauf zur sternförmigen Zitadelle Fort George aus den 1850er Jahren. Dort stehen junge Männer, stilecht in historische Uniformen gewandet. Später wird die Reise im Wasser fortgesetzt. Sie sitzen nämlich in einem kriegserprobten, grünblauen Amphibienfahrzeug und haben so einen wunderbaren Panoramablick auf die Hafenviertel. Dazu erzählt Fahrer Robert die Geschichten der Stadt.

Halifax ist Ort zweier großer Tragödien

Eine dieser Geschichten ist wohl der Untergang der Titanic vor Neufundland im Jahr 1912 und wie sie die Stadt geprägt hat. Halifax war der nächstgelegene größere Hafen,
also fuhren von hier aus die Rettungsboote zum Unglücksort.

Als die Retter ankamen, lag das „unsinkbare“ Schiff schon längst mit Mann und Maus auf dem Meeresgrund. Viele Tote wurden an Land gebracht. Ihre sterblichen Überreste ruhen auf den Friedhöfen von Halifax. Das Maritime Museum Of The Atlantic ist, unter anderem, dieser Tragödie gewidmet. Ein zweites Ereignis hat sich ebenfalls in das Gedächtnis der Stadt eingeprägt. Die Halifax-Explosion von 1917, die große Teile der Halbinsel verwüstete. Dabei stieß ein französisches Munition-Schiff mit einem belgischen Versorger im Hafen zusammen. Daraus resultierte eine der größten, nichtnuklearen Explosionen der Menschheitsgeschichte. Ein riesiger Feuerball, eine Flut- und eine Druckwelle waren die Folge, sodass ein Großteil der Stadt in Schutt und Asche lag.

Nach den spannenden Geschichten von Robert kommen wir zurück in den Alltagstrubel am Hafen. Halifax ist mit seinen mehr als 30.000 Studenten, die an sechs Universitäten studieren, und mit einem der größten Angebote an Bars, Bistrots und Restaurants in Kanada, eine Stadt des Feierns. Sie stolpern dort über zahlreiche Pubs mit Live-Musik und es hat sich eine gefragte Craft Bier-Szene etabliert. An der Waterfront liegt das „Warehouse Restaurant“. Einstmals Lagerstätte, bietet es heute ein tolles Angebot an fangfrischen Austern, Jakobsmuscheln, Hummer und delikatem Fisch.

Ganz relaxed zu Kanadas berühmtesten Leuchtturm

Es ist ziemlich entspannend als Autofahrer auf Nova Scotias gut ausgebauten Fernstraßen unterwegs zu sein. Es herrscht dort wesentlich weniger Verkehr als bei uns. Die Entfernungen sind in Kilometer angegeben, der Wetterbericht im Radio gibt die Temperaturen in Grad Celsius an. Neuschottland ist die Europa nächstgelegene See-Provinz Kanadas, bestehend aus der Halbinsel Nova Scotia, zuzüglich Cape Breton-Island. Mit nur 954.000 Einwohnern, also der Hälfte von Wien, ist die Provinz ziemlich dünn besiedelt. Bei der Erkundung ist es für Touristen absolut empfehlenswert, die 340 Kilometer lange Leuchtturm-Route abzufahren.

Der bekannteste Leuchtturm Kanadas steht in Peggy’s Cove, im wohl meistfotografierten Fischerdorf an der Südost-Küste. Der weiße Turm auf den Basalt-Felsen ist fünfzehn Meter hoch, im oberen Bereich befindet sich ein knallroter Signal-Bereich. Es ist ein wunderbar kitschiges Motiv, das viele Besucher anzieht. Danach geht es auf einen Spaziergang durch das kleine Dorf mit den bunten, mit Schindeln gedeckten, Fischer-Häusern. Dazwischen liegen hölzerne Piers über dem Meereswasser. Darauf lagern unzählige Hummerfallen und rostige Anker. Eine Besonderheit wartet auf uns in Mahone Bay. In dem Dorf mit den drei nebeneinander stehenden Kirchen am Wasser findet gerade das Vogelscheuchen Festival statt. Das bedeutet, dass ungemein viele, handgemachte Schreckgestalten die Straßen säumen. Da sieht man angsteinjagende Hexen, die Royals aus dem Vereinigten Königreich, Schatzsucher, Piraten oder auch ganz normale Strohfiguren.

In Lunenburg waren einst die Rum-Schmuggler zu Hause

Wir machen Station in der Weltkulturerbe-Stadt Lunenburg, die als ältestes, von Deutschen aufgebautes, Siedlungsgebiet Kanadas gilt. Schön anzuschauen ist die auffällige Holzhaus-Architektur mit markanten Kapitänsvillen und bunten Bürgerhäusern am Hafen. Ursprünglich siedelten sich hier Bauern an. Doch der Boden war karg und gab nicht allzu viel her. Also sattelten die Bürger um und wandten sich der Fischerei und dem Schiffsbau zu. Schon bald wurde Handel mit der Karibik betrieben. Fisch wurde exportiert und auf der Rückreise waren die Schiffsbäuche voll mit hochwertigem Rum.

Als im Nachbarland USA die Prohibition ausgerufen wurde, ergriffen viele Fischer die Gelegenheit schnelles Geld zu machen und wurden zu Alkohol-Schmugglern. Die „Rum
Runner” waren geboren. Alkohol zu trinken war zwar damals auch in Kanada verboten, allerdings nicht, wenn Hochprozentiges produziert und sofort ausgeführt wurde. In Lunenburg übernachten wir im „Mariner King Inn“, das aus drei traditionellen Holzhäusern besteht. In manchen Zimmern soll es dort sogar spuken, der Geist einer jungen Frau steht angeblich in einem der Zimmer häufig am Bett.

Weltrekord bei Ebbe und Flut in der Bay Of Fundy

Zu den Wundern der Natur zählt die Bay Of Fundy, die zwischen Nova Scotia und New Brunswick liegt. Die Bucht ist 220 km lang und 60 km breit. Die Besonderheit ist der riesige Unterschied zwischen Ebbe und Flut, der bis zu 16 Meter ausmacht. Das ist Weltrekord! Das Phänomen heißt „Tidal Bay“. Und genau so lautet auch die Bezeichnung der einzigen nordamerikanischen Wein Appellation. Bei uns heißt das DAC, in Italien DOC. Wir sind in Wolfville, einer kleinen Studenten-Stadt mit traditionellen Viktorianischen Häusern. Rundum befindet sich Kanadas beste und stärkste Landwirtschafts-Region. Hier besuchen wir im Rahmen der „Tidal Bay Tasting Adventure Tour“ drei Weinbau-Betriebe.

Der Klimawandel macht es möglich, dass sich inzwischen 22 Weinbaubetriebe in Nova Scotia etabliert haben, die meisten davon in dieser Gegend. Pionierarbeit dafür geleistet hat der Schweizer Hanspeter Stutz, der vor zwanzig Jahren einwanderte, um die Domaine de Grand Pré zu entwickeln. „Niemand hätte es vor 20 Jahren für möglich gehalten, dass aus dem Annapolis Valley einmal respektable Weine kommen würden“, meint der joviale 72-jährige, der den Weinverband ins Leben gerufen hat. Auch die Rotweine sind inzwischen ganz respektabel. Fein schmeckt der Dessertwein, der aus Äpfeln gewonnen wird. Besonders stolz ist Stutz aber auf seinen Riesling Eiswein. Nova Scotia ist auf jeden Fall immer eine Reise wert.

Mehr Informationen unter www.novascotia.com