„Die glücklichsten Menschen sind nicht die Teens und Twens, sondern die 65- bis Anfang 70-Jährigen, die jungen Alten!”

Die meisten Menschen wissen zu wenig über oder haben falsche Vorstellungen vom Alter. Sie glauben zum Beispiel, dass ihr Glück und Wohlbefinden abnimmt, wenn sie älter werden. Fragt man sie nach dem „Warum?”, dann begründen sie ihre Meinung mit den altbekannten Unbilden des Alters:

Der nachlassenden Kraft und allgemeinen Gesundheit, dem Tod des Partners oder von Freunden, Einsamkeit oder der Vorstellung, dass ältere Menschen hilfsbedürftig und abhängig von Anderen werden. Außerdem glauben viele auch, dass es bemerkenswert unglückliche Lebensabschnitte im Leben gibt, beispielsweise die Pubertät, die so genannte „Midlife Crisis” oder insbesondere das Alter. Diese weit verbreiteten Meinungen sind schmerzhaft falsch. Warum?

Erstens gibt es nicht den klitzekleinsten Beweis für persönliche Umbrüche in der Mitte des Lebens, der so genannten „Midlife Crisis”, in den 40er Jahren. Die „Krise in der Mitte des Lebens” ist eine Erfindung, ein genialer Buchtitel und das Hirngespinst einer amerikanischen Journalistin, deren Namen ich vergessen habe. Die „Krise in der Mitte des Lebens” findet nicht statt. Es gibt sie nicht. Jeder Mensch kann zwar im Laufe seines Lebens Krisenzeiten durch- machen, aber nicht in einem vorhersagbaren Zeitabschnitt. Manche haben eine Krise in ihrer Pubertät, manche in ihren 20er, 30er, 40er, 50er, 60er, 70er, 80er, 90er oder 100er Jahren. Manche hatten nie eine Krise, und bei manchen Leuten ist ihr ganzes Leben eine Krise.

Das so genannte „Leere-Nest-Syndrom” (ein Gefühl der Sinnlosigkeit und verlorenen Bedeutung, nachdem die Kinder das Haus für immer verlassen haben) entpuppte sich ebenfalls als selten. Im Rahmen von drei Langzeitstudien wurde festgestellt, dass sich die Mütter erleichterter und wohler fühlten, nachdem ihre Kinder das Haus endgültig verlassen hatten. Für die meisten Paare ist das leere Nest ein glücklicheres Nest – ein Ort, zu dem das Glück nach all den stressigen Jahren der Kinderaufzucht wieder zurückgekehrt ist. „Midlife Krise”, „Wechseljahre des Mannes” und „Leeres-Nest-Syndrom” sind nichts weiter als leere Worthülsen.

Zweitens haben die Altersforscher John Rowe und Robert Kahn im Rahmen eines zehnjährigen Langzeitprojekts herausgefunden, wie man munter in die Jahre kommen kann, ohne zu vergreisen. Mit ihrem Team befragten und untersuchten sie Tausende von Männern und Frauen jenseits der Siebzig, die in ihrer häuslichen Umgebung lebten. Ihre Bilanz fällt verblüffend ermutigend aus:

„Die Begegnungen mit den älteren Leuten lehrten uns, dass die meisten viel unabhängiger, leistungsfähiger und auch gesünder sind als weithin angenommen.” Im Brennpunkt der Altersforschung hätten bisher viel zu sehr jene Menschen gestanden, die auf Pflege in Altersheimen und Krankenhäusern angewiesen waren – insgesamt nur etwa fünf Prozent aller älteren Menschen.

„Schwächlich, kränklich, wackelig, gehandicapt, macht- und geschlechtslos, schlechtgelaunt, passiv, unsicher und einsam”, das weit verbreitete Bild vom älteren Menschen ist geprägt von Jahrhunderte alten, abgedroschenen Vor- stellungen und Vorurteilen, kritisieren Robert Kahn und sein Kollege. Um die eigenen Chancen für ein erfülltes Alter wahrzunehmen, empfehlen sie, sich erst einmal von diesen weit verbreiteten, überkommenen Vorurteilen zu befreien, einschließlich der Vorstellung, dass Altsein mit Unglücklich- sein einhergehe.

Zwar hat jeder Dritte jenseits der Fünfundsiebzig zu hohen Blutdruck, Herzbeschwerden oder Hörschäden und elf Prozent leiden an altersbedingtem Blutzucker, doch diese Gesundheitsbeschwerden fallen im Alltag kaum ins Gewicht, sondern werden routinemäßig, nebenbei und en passant erledigt. Wir altern weit öfter quicklebendig, unternehmungslustig und voller Lebensfreude, als krank und hinfällig. Die meisten älteren Menschen wollen ihr Dasein nutzen und das Mark des Lebens noch einmal auskosten. Fast 90 Prozent der 65- bis 74-Jährigen berichteten über keinerlei Gesundheitsbeschwerden und von den über 85-Jährigen fanden sich noch rund 40 Prozent „voll funktionstüchtig”.

Nur ein abgedroschenes Klischee ist auch der geistige Verfall im Alter. Jeder vergessene Name oder verlegte Schlüssel

beschwöre zwar das Schreckgespenst der Alzheimer-Krank- heit herauf, doch Opfer dieser Krankheit würden „weniger als 10 Prozent aller Menschen zwischen 65 und 100 Jahren.” Obwohl sich unser Kurzzeitgedächtnis, das nur vorüber- gehend Informationen speichert, mit den Jahren verschlechtert, kann unser Erinnerungsvermögen mit Gedächtnistraining – ob gezielt oder spielerisch – aufgebessert werden. Zwar geht das Denken (wie alles) etwas langsamer vor sich, mit etwas mehr Zeit ausgestattet, können aber auch ältere Men- schen beachtliche Leistungen scha en.

Die wichtigste Botschaft von John Rowe ist aber, dass wir die Art und Weise wie wir altern gewaltig beeinflussen können. Weit mehr als bisher angenommen liegt der Erfolg des glück-lichen Alters in unseren eigenen Händen. Der Einfluss der Gene wurde weit überschätzt. Nachdem beide Forscher rund 25.000 Zwillingspaare aus dem über 70 Jahre lang geführten schwedischen Zwillingsregister (SATSA) in ihre Studie einbezogen hatten, entmachteten sie die Theorie von der Herrschaft der Gene. Nur ein Drittel aller Altersprobleme sind genetisch veranlagt.

Am Beispiel der Blutfett-Werte zeigt sich besonders deutlich, dass der Lebensstil ausschlaggebend ist: Im Alter von 70 Jahren war bei den Zwillingspaaren mit hohen Blutfett-Werten die Macht der Gene vollständig verschwunden.

Abhängig war ihr Blutfett-Spiegel vielmehr völlig von ihrem Lebensstil – von ihrer Ernährung und Bewegung. Ihre Studie beweist, dass wir, zu einem großen Teil, für unser eigenes Altwerden verantwortlich sind. Weil die Natur erstaunlich nachsichtig ist, sei es nie zu spät unsere Lebensgewohnheiten zu ändern. Selbst der hartnäckigste Pantoffelheld könne noch im hohen Alter messbar von mehr körperlicher Bewegung profitieren. Für den Verzicht auf das Rauchen und die Mühen regelmäßiger Bewegung gebe es eine hohe Belohnung – mit 90 mit dem Fahrrad statt im Rollstuhl zu fahren.

Sport, aktive Teilnahme am Leben, Freundschaften und geselliges Beisammensein sind, neben gesunder Ernährung, die besten Jungbrunnen. Als Beweis dafür zitieren die Altersforscher den 91-jährigen Edward, der zeitlebens nie Sport getrieben hat, bis er mit 86 in eine Fitnessgruppe eintrat: „Nachdem ich damit angefangen hatte, fühlte ich mich stärker und viel aktiver. Das Gewichtheben verbesserte mein Laufen, und ich schlafe besser und habe mehr Freude am Essen. Das Kraft-Training hat mein Leben verändert.”

„Denke immer daran, dass es nur eine einzige wichtige Zeit gibt: Heute. Hier. Jetzt.“

Leo N. Tolstoi

Wer jung ist, soll nicht zögern sich des Lebens zu erfreuen, und wer alt ist soll nicht müde werden sich an ihm zu erfreuen. Für keinen ist es zu früh und für keinen zu spät, sich um seine mentale Gesundheit zu kümmern. Während wir älter werden, werden unsere Gefühle immer wichtiger für uns, und wir lernen im Laufe des Lebens immer besser, sie geschickter zu organisieren und erfolgreicher mit ihnen umgehen zu können. Jüngere Menschen und Menschen in den mittleren Jahren betrachten ihre Zukunft noch als weitgehend offen und sind weltlichen Dingen mehr zugewandt, während ältere Menschen ihre Zukunft schon als begrenzter betrachten. Dieser Blickwinkel veranlasst sie, noch einmal aufs Gaspedal des Lebens zu drücken und einen höheren Gang einzulegen, um ihre angenehmen Gefühle zu maximieren und ihre unangenehmen zu minimieren. Zusätzlich wissen sie aufgrund ihrer größeren Lebenserfahrung besser, was ihre angenehmen und unangenehmen Gefühle wirklich hervorruft und picken sich aus dem Leben nur das heraus, was sie wirklich interessiert oder auf gut Deutsch: glücklich macht. Alles zusammen genommen führt zu ihrem größeren Glück und Wohlbefinden im späteren Leben.

Auszugsweise aus dem Buch

“GLÜCKSFORSCHUNG UND GLÜCKSWISSENSCHAFT”
von Dipl.-Kfm. Dipl.-Hdl. Bernd Hornung

www.gluecksforschung.de